Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein…
Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Hochwertig produzierte Musik auf Knopfdruck zu einem kleinen Preis. Soundraw verspricht, dass man nur Genre, Instrumente, Stimmung usw. eingeben muss und eine KI daraus Musik erzeugt – mit einem Klick auf den Menüpunkt “Create Music” kann man sich sofort selbst davon überzeugen.

Der erste Eindruck ist ein „Wow“ – innerhalb von Sekunden werden mehrere Musikstücke erstellt, die definitiv Mainstream-Potenzial haben und absolut professionell produziert klingen. Mit einem Klick wird eine verlustfreie Datei im WAV-Format erzeugt, die dann für Videos, Präsentationen usw. verwendet werden kann.
Es wirkt wie eine recht kleine Audio-Loop-Bibliothek…
Wenn man jedoch genauer hinschaut und -hört, fällt schnell auf, dass viele Musikstücke überraschend ähnlich klingen – ist das Zufall oder wird hier vielleicht „getrickst“? Jedenfalls wurde meine Neugier geweckt – es erinnerte mich stark an ein Baukastensystem, bei dem ständig neue Kombinationen aus vorgefertigten Sound-Schnipseln auf Basis von Metadaten zusammengestellt werden.

Bei der Analyse der Website wurde meine Vermutung mehr oder weniger bestätigt. Schon beim Überprüfen der vom Server abgerufenen Dateien fällt auf, dass sehr viele Dateien im M4A-Audioformat abgerufen werden. Zudem gibt es einige Metadateien mit dem Dateinamen „composition“, die die jeweilige Verkettung der geladenen Audiodateien beschreiben. Effektiv wird hier eine Kombination aus einer überschaubaren Anzahl von Audio-Loops „gewürfelt“, die dann zu einem Stereo-Mix zusammengefügt werden. Das Ergebnis ist professionell klingende Musik.
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Der Eindruck entsteht, dass hier nicht wirklich eine KI am Werk ist, sondern „nur“ ein mehr oder weniger cleverer Algorithmus. Die geringe Varianz und die hohe Ähnlichkeit der Musikstücke sprechen dagegen. Vielmehr scheint es so zu sein, dass es einen Grundstock an fertigen „Kompositionen“ gibt oder dass diese mehr oder weniger zufällig zusammengestellt werden und bei Bedarf nur ein Fade-Out hinzugefügt wird.
Schaut man noch etwas genauer hin, findet man einen Verweis auf einen Amazon S3-Bucket – und wenn man diesem folgt, findet man dort eine XML-Datei, die alle verfügbaren Sound-Schnipsel auflistet. Es gibt ziemlich genau 1.000 davon aus verschiedenen Genres. Die Dateinamen beschreiben Musikstil, Instrumentierung usw. Angesichts der Tatsache, dass es derzeit etwa 11 verschiedene Musikgenres und 9 verschiedene Stimmungen gibt, wird schnell klar, wie wenig 1.000 verschiedene Sound-Schnipsel hier sein können.

Der Preis ist für das Gebotene überambitioniert
Soundraw verlangt etwa 17 EUR pro Monat für ein jährlich im Voraus bezahltes Abonnement und etwa 20 EUR für ein monatliches Abonnement. Das ist – derzeit – viel Geld für das Gebotene.

Übrigens fiel mir auch auf, dass man seinen Account nicht selbst löschen kann und es dazu nichts in den FAQ gibt. Dies ist ein sogenanntes Dark Pattern und soll es unerwünschten Nutzern erschweren, diese Seite wieder loszuwerden. Immerhin kann man ein kostenpflichtiges Abonnement einfach kündigen und Zahlungsmittel aus dem Benutzerkonto entfernen. Nach dem Einloggen sind das maximal 4 Mausklicks, was absolut in Ordnung ist. Trotzdem sollte Soundraw hier nachbessern und auch die Möglichkeit zur Selbstlöschung des Accounts bieten.
Lass uns meine Erkenntnisse zusammenfassen:
- Eine vergleichsweise kleine Bibliothek von Quell-Audio-Loops aus 11 Genres in 9 Stimmungen, unterteilt in verschiedene Instrumentengenres und Geschwindigkeiten.
- Häufig wiederholende oder sehr ähnlich klingende Ergebnisse
- Vergleichsweise hohe monatliche Kosten
- Stark eingeschränkte Lizenzen
- Kein einfacher Weg zur Löschung von Benutzerkonten
Aber auch:
- Sehr einfache Bedienung
- Sehr schnelle Erstellung von Musikstücken
- Sehr gute Klangqualität
- Moderne Genres und moderne Instrumentierung
- Sehr schneller und kompetenter Support
Von meiner Seite gibt es noch keine uneingeschränkte Empfehlung
Wenn du mich fragst, bezweifle ich, dass hier wirklich eine KI am Werk ist – dafür gibt es nicht genug Anhaltspunkte und ich finde, der Preis ist für das Gebotene derzeit deutlich zu hoch. Daher empfehle ich noch kein kostenpflichtiges Abonnement. Du kannst es aber selbst ausprobieren. Soundraw bietet eine kostenlose 7-Tage-Mitgliedschaft an.
Wenn du an Deep Learning und KI in der Musik interessiert bist, solltest du dir stattdessen AIVA ansehen – im Gegensatz zu Soundraw AI ist AIVA tatsächlich ein intelligentes System. Soundraw ist clever gemacht und kann auf den ersten Blick beeindrucken – aber letztendlich ist es nur das: ein Blender!
Ergänzung zum Thema Support
Der Support von Soundraw verdient Bestnoten bei der Kontaktaufnahme per E-Mail. Blitzschnell, kompetent, ehrlich und super freundlich.